Der junge A. ist hier aufgewachsen, ist hier zur Schule gegangen, hat hier sein Abitur gemacht und studiert. Er lebt in Europa und in einem seit Generationen von Einwanderung geprägten Land, ist womöglich hier geboren. In seinem Alltag wird er immer wieder mit Fragen konfrontiert, die sich einst ein junger Mann namens Werther nicht stellen musste, ein Anton, Benedikt oder Claudius wohl selten stellen muss. Auch wenn sein Name für manche fremd klingt, hat er den gleichen Pass wie sie und erzählt seine Geschichte von seinem Standort aus, aus Deutschland.
In seinem Monolog spricht A. über sich und spielt mit unseren Erwartungen, Vorurteilen und Zuschreibungen — den bewussten und unbewussten —, die selbst hinter bemühten Reflexionen, wohlgemeinten Einstellungen und Haltungen lauern. Doch auch die Sehnsucht nach Identität, die, kaum gefunden, wieder zerrinnt, kommt zur Sprache. Den Konflikt, die Literatursprache eines Goethe zu mögen, grammatikalisch besser als die meisten zu sprechen, die Geschichte und Kultur eines Landes zu atmen und mit großem Bemühen Liter um Liter reinheitsgebrautes Bier durch seinen Körper fließen zu lassen und trotzdem als Kanacke, Iraner, Migrant, Diaspora-Minderheit oder Flüchtlingskind eingeordnet zu werden, hat er selbst nicht heraufbeschworen.
Mit verschiedenen Kulturen und Sprachen aufwachsen und vertraut sein: Gerade in einer Zeit, in der viele Lebensläufe mit der Flüchtigkeit und Ortslosigkeit des „Globalen“ konfrontiert sind, werden Standortbestimmungen wichtig. Doch was verstehe ich unter Begriffen wie Zuhause oder Heimat? Und kann oder muss es das überhaupt für mich geben? Die Suche führt den jungen A. durch teils absurde Situationen: von einem Rollencasting aus, bei dem plötzlich Al Pacino auftaucht, führt es A. zu einem Deutschtest mit Aspik bis in die Konfrontation mit seinem Vater. Er begegnet erfolgreichen Gangster-Rappern, die davon träumen, doch ein bisschen wie die Mehrheitsgesellschaft zu sein und einem Späti-Verkäufer, der ihm nach einem tiefen Zug aus der Shisha bei allen Identitätsfragen zur Seite steht. In den nicht einfach zu beantwortenden Fragen nach Sprache und Identität schillert die wachsende Vielfalt der Biografien in unserer Gesellschaft.
Welche Rolle darf er spielen, auf der Bühne, vor der Kamera, in unserer Gesellschaft? Warum fragt man ihn über seinen Familienhintergrund aus? Und warum bestimmt diese eine Facette seiner Identität so sehr das Bild, das die Menschen hier von ihm haben oder haben möchten? Wieso spricht der Grenzpolizist am Bahnhof lieber schlechtes Englisch mit ihm als seine Muttersprache? In seinem Solo erzählt A. mit Humor, Sarkasmus und Hintersinn und manchmal auch mit Wut über ein Leben, das von mehrfach gebrochenen Selbst- und Fremdzuschreibungen geprägt wurde.
Besetzung
Eidin Jalali
Team
Text und Regie: Marco Damghani
Bühne und Kostüme: Hugo Gretler
Dramaturgie: Benjamin Große
Licht: Sebastian Elster
Ton: Heribert Weitz
Video: Gabriel Arnold
T I C K E T S gibt es online (cuttly-Link unterm Bild).