PARADOKS versammelt in der vierten Ausgabe – zum ersten Mal mit Schwerpunkt auf Performance – zahlreiche künstlerische Positionen, die die herkömmliche Kinoerfahrung erweitern und überschreiten, indem sie neue Ausdrucksformen finden: Mehrfach-Projektionen, ungewöhnliche Anordnungen von Screens und Zuschauer*innenpositionen, audio-visuelle und physisch intensive Performances sowie innovative Erzählgrammatiken.
MOURNING STAGE
Ausgehend von Zeichnungen, die verschiedene Darstellungen von feminisierten Dämonen und des Teufels in der Hölle zeigen, nutzt Simon(e) in MOURNING STAGE seinen*ihren Körper und seine*ihre Mimik für eine rituelle Performance von hoher Intensität. Sie kann als Trauerarbeit und Wut auf die aufgezwungenen kolonialen Vorgaben der katholischen Kirche bezüglich sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität gelesen werden. Zugleich ist sie auch eine Huldigung der Widerstandskraft des durch Moralvorstellungen fetischisierten und kolonialisierten Körpers.
Im Anschluss:
A DEMONSTRATION
D, NL, UK 2020, R: Beny Wagner & Sasha Litvintseva, engl. OV mit dt. UT, 25 min
Alles beginnt in einem Theater. Worte über die Wissenschaft sind zu hören. Dann der Weg nach draußen, in den Wald. Wo die Wissenschaft der Natur weicht. Und wir unseren Augen trauen müssen. Doch was wir sehen, ist nicht selten nur ein Fragment dessen, was wir zu erkennen glauben. Bewusst lässt der Kurzexperimentalfilm von Sasha Litvintseva und Beny Wagner die Zuschauenden im Ungewissen, was genau sich innerhalb der Sequenzen erkennen oder viel mehr noch erklären lässt. Und genau darin liegt der Reiz und die tiefere Botschaft des Films: Denn ganz nach dem Ursprung des Wortes „monstrare“ aus dem Lateinischen, was mit „zeigen“ übersetzt werden kann, schaffen die Filmemacher einen assoziativen Bildkosmos, in dem sich eben wenig „zeigt“, sondern vieles verbirgt. Und die Frage im Raum steht, ob die Schönheit des Gesehenen nicht eben durch das Nicht-Erklärbare erst möglich wird. A DEMONSTRATION ist als Kurzfilmexperiment ein filmischer Stream-of-Consiousness, der die Betrachtenden mit einer dynamischen Montage und einem fast physisch erfahrbaren Score auf eine faszinierende Reise mitnimmt.
detours while speaking of monsters
D, TUR 2024, R: Deniz, türkische OV mit engl. UT, 24 min
Ein 4000 Jahre altes Seeungeheuer ist in der heutigen Türkei unsichtbar gemacht worden. Sein Mythos geht zurück auf die Armenier*innen und Kurd*innen rund um den See Van, eine Region, die Zeuge ethnischer Säuberungen gegen beide Völker wurde. Dennoch bleibt das Monster auf eine Art am Leben: in den Erzählungen der Einwohner*innen. Es wehrt sich dagegen, gänzlich in Vergessenheit zu geraten. In dieser blauen Landschaft an der Kreuzung zwischen mythologischen, politischen und persönlichen Sphären werden unterschiedliche Formen der Auslöschung verdeckt. Unterdessen sind alte Gottheiten sauer auf uns; und ich bin sauer auf meinen Vater.
In Anwesenheit von Deniz Şimşek.
T I C K E T S gibt es online bei tixforgigs (Link unterm Bild)
Vorschau
January
07
// Mi // 20 Uhr // PARADOKS - AT THE EDGES OF DOCUMENTARY
MOURNING STAGE von Simon(e) Jaikiriuma Paetau & Kurzfilmrolle
MOURNING STAGE von Simon(e) Jaikiriuma Paetau & Kurzfilmrolle
29
// Do // 20 Uhr // PARADOKS - AT THE EDGES OF DOCUMENTARY
COMPASSION AND INCONVENIENCE & RESONANCE IN RESISTANCE
COMPASSION AND INCONVENIENCE & RESONANCE IN RESISTANCE
PARADOKS versammelt in der vierten Ausgabe – zum ersten Mal mit Schwerpunkt auf Performance – zahlreiche künstlerische Positionen, die die herkömmliche Kinoerfahrung erweitern und überschreiten, indem sie neue Ausdrucksformen finden: Mehrfach-Projektionen, ungewöhnliche Anordnungen von Screens und Zuschauer*innenpositionen, audio-visuelle und physisch intensive Performances sowie innovative Erzählgrammatiken.
Compassion and Inconvenience
D 2024, R: Vika Kirchenbauer, Single-Channel Video, 30', engl. OV mit engl. UT
In ihrer essayistischen Videoarbeit COMPASSION AND INCONVENIENCE bezieht sich Vika Kirchenbauer auf die ersten öffentlich zugänglichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im London der Mitte des 18. Jahrhunderts. Für den von ihr gewählten historisch-kritischen Zugang werden Dokumente aus den 1730er bis 1760er Jahren herangezogen, die Rückschlüsse auf das Ineinandergreifen von Kapital, Kolonialismus und Kunst zulassen. Weniger die damals ausgestellten Objekte stehen hier also im Mittelpunkt, als vielmehr der Versuch die sozialen und geistesgeschichtlichen Voraussetzungen offenzulegen, unter denen Kunst in den öffentlichen Raum gelangte.
Das Verständnis zentraler Kategorien wie „Besitz“, „institutionelle Strukturen“ und „Publikum“ wird über diese Quellen herausgeschält, was wiederum Rückschlüsse darauf zulässt, mit welchen Instrumenten eine erstarkende Elite die Öffentlichkeit erreichen und das Verhältnis zu ihr (re-)organisieren wollte. Moralphilosophische Konzepte, die Empfindsamkeit der Künstler etwa in Bezug auf Mitgefühl und Unbehagen, spielten z.B. eine wichtige Rolle dabei, Dominanzkonstellationen im Kern der europäischen Vorstellungen von Kunst und ästhetischen Urteilen zu verankern und bis ins Heute zu verstätigen.
Die oben genannten Dokumente werden in COMPASSION AND INCONVENIENCE von 5 nicht-männlichen und nicht-privilegierten Personen vorgetragen. Oder anders: die Sprecherpositionen der Performenden unterscheiden sich diametral von denen der Autoren. Sie verkörpern als kein historisches Personal und stellen keine Unmittelbarkeit von Vergangenem her. Ihr Spiel oszilliert vielmehr zwischen Subversion, Konfrontation und Irritation.
resonance in resistence
D 2025, R: Binha Haase, 3-Channel Video-Installation, 16 min, OV mit engl. UT
Die angestaubte architektonische Opulenz, die aus der Zeit gefallenen antikisierenden Ornamente und der akustische Widerhall eines alten Theaterbaus bilden in Binha Haases 3-Kanal-Installation das räumliche Setting, in dem drei Performer:innen in Erscheinung treten. Die Opernsängerin Idunnu Münch und die beiden Drag-Artists Mandhla Ndubiwa und Queer Falafel singen in den ihnen eigenen Genres von queerem Begehren, unerfüllten Leidenschaften und abweichenden Identitäten. An einer Stelle heißt es auf arabisch: "You don't know that my faggotry comes with atoning rage."
Dabei betonen die weitestgehend a capella vorgetragenen Stücke sowie die Close-Ups auf Münder, Haut, Schmuck und Kleidung in besonderer Weise die körperlichen Qualitäten der Performances.
Zugleich wird das Wechselspiel zentraler Kategorien wie Innerlichkeit und Fragilität sowie Oberfläche und Glamour aufgerufen.
Im Wiederholen und Parallelschalten fließen die einzelnen Performances gelegentlich ineinander und überwinden die Grenzen der sie voneinander trennenden Bildebenen, bis sich Idunnu Münch, Mandhla Ndubiwa und Queer Falafel schließlich begegnen und Passagen der jeweils anderen Songs vortragen. In dieser Annäherung treffen die in den Musikgenres festgeschriebenen Narrative aufeinander und es entsteht ein komplexer Dialog zwischen kulturellen, ethnischen und Gender-Narrativen.
In Anwesenheit von Vika Kirchenbauer und Binha Haase.
T I C K E T S gibt es online bei tixforgigs (Link unterm Bild).
Compassion and Inconvenience
D 2024, R: Vika Kirchenbauer, Single-Channel Video, 30', engl. OV mit engl. UT
In ihrer essayistischen Videoarbeit COMPASSION AND INCONVENIENCE bezieht sich Vika Kirchenbauer auf die ersten öffentlich zugänglichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im London der Mitte des 18. Jahrhunderts. Für den von ihr gewählten historisch-kritischen Zugang werden Dokumente aus den 1730er bis 1760er Jahren herangezogen, die Rückschlüsse auf das Ineinandergreifen von Kapital, Kolonialismus und Kunst zulassen. Weniger die damals ausgestellten Objekte stehen hier also im Mittelpunkt, als vielmehr der Versuch die sozialen und geistesgeschichtlichen Voraussetzungen offenzulegen, unter denen Kunst in den öffentlichen Raum gelangte.
Das Verständnis zentraler Kategorien wie „Besitz“, „institutionelle Strukturen“ und „Publikum“ wird über diese Quellen herausgeschält, was wiederum Rückschlüsse darauf zulässt, mit welchen Instrumenten eine erstarkende Elite die Öffentlichkeit erreichen und das Verhältnis zu ihr (re-)organisieren wollte. Moralphilosophische Konzepte, die Empfindsamkeit der Künstler etwa in Bezug auf Mitgefühl und Unbehagen, spielten z.B. eine wichtige Rolle dabei, Dominanzkonstellationen im Kern der europäischen Vorstellungen von Kunst und ästhetischen Urteilen zu verankern und bis ins Heute zu verstätigen.
Die oben genannten Dokumente werden in COMPASSION AND INCONVENIENCE von 5 nicht-männlichen und nicht-privilegierten Personen vorgetragen. Oder anders: die Sprecherpositionen der Performenden unterscheiden sich diametral von denen der Autoren. Sie verkörpern als kein historisches Personal und stellen keine Unmittelbarkeit von Vergangenem her. Ihr Spiel oszilliert vielmehr zwischen Subversion, Konfrontation und Irritation.
resonance in resistence
D 2025, R: Binha Haase, 3-Channel Video-Installation, 16 min, OV mit engl. UT
Die angestaubte architektonische Opulenz, die aus der Zeit gefallenen antikisierenden Ornamente und der akustische Widerhall eines alten Theaterbaus bilden in Binha Haases 3-Kanal-Installation das räumliche Setting, in dem drei Performer:innen in Erscheinung treten. Die Opernsängerin Idunnu Münch und die beiden Drag-Artists Mandhla Ndubiwa und Queer Falafel singen in den ihnen eigenen Genres von queerem Begehren, unerfüllten Leidenschaften und abweichenden Identitäten. An einer Stelle heißt es auf arabisch: "You don't know that my faggotry comes with atoning rage."
Dabei betonen die weitestgehend a capella vorgetragenen Stücke sowie die Close-Ups auf Münder, Haut, Schmuck und Kleidung in besonderer Weise die körperlichen Qualitäten der Performances.
Zugleich wird das Wechselspiel zentraler Kategorien wie Innerlichkeit und Fragilität sowie Oberfläche und Glamour aufgerufen.
Im Wiederholen und Parallelschalten fließen die einzelnen Performances gelegentlich ineinander und überwinden die Grenzen der sie voneinander trennenden Bildebenen, bis sich Idunnu Münch, Mandhla Ndubiwa und Queer Falafel schließlich begegnen und Passagen der jeweils anderen Songs vortragen. In dieser Annäherung treffen die in den Musikgenres festgeschriebenen Narrative aufeinander und es entsteht ein komplexer Dialog zwischen kulturellen, ethnischen und Gender-Narrativen.
In Anwesenheit von Vika Kirchenbauer und Binha Haase.
T I C K E T S gibt es online bei tixforgigs (Link unterm Bild).


